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Stressinkontinenz

Geschrieben von Clara Schneider

Was versteht man unter Stressinkontinenz?

Inkontinenz (der unwillkürliche Verlust von Urin) ist in der Gesellschaft leider immer noch ein Tabuthema. Dabei leidet fast jede dritte bis fünfte Frau über 40 Jahren darunter. Bei Männern ist die Anzahl etwas geringer.

Es gibt verschiedene Formen der Inkontinenz . Die Stressinkontinenz, auch Belastungsinkontinenz genannt, bezeichnet einen unwillkürlichen Urinverlust bei körperlicher Anstrengung (zum Beispiel beim Niesen, Husten oder Sport machen).

Wie unterscheidet sich Stressinkontinenz von anderen Arten der Inkontinenz?

Neben der Stressinkontinenz gibt es auch noch die sogenannte Dranginkontinenz. Sie ist mit einem ganz plötzlichen Dranggefühl der Betroffenen assoziiert, die es dann häufig nicht mehr rechtzeitig zur Toilette schaffen.

Stressinkontinenz und Dranginkontinenz können auch als Mischform auftreten.

Eine Sonderform ist die neurogene Inkontinenz, bei der die Reflexe nicht richtig funktionieren, weil eine Störung des Nervensystems vorliegt.

Welche Ursachen gibt es für Stressinkontinenz?

Die Ursachen für Stressinkontinenz sind vielfältig und meist kommen mehrere davon zusammen.

Unsere Harnröhre wird normalerweise von unseren Beckenbodenmuskeln und einem Bandapparat unterstützt. Sowohl die Muskeln als auch die Bänder werden im Alter schwächer, vor allem bei Frauen. So fällt es schwerer, den Urin einzuhalten.

Manchmal können diese Bänder auch während einer Operation geschädigt werden, das nennt man dann postoperative Inkontinenz.

Auch stattgehabte vaginale Geburten können dazu führen, dass die Harnröhre nicht mehr so gut gehalten wird.

Außerdem gibt es Krankheitsbilder, die eine Inkontinenz wahrscheinlicher machen, wie beispielsweise häufig auftretende Blasenentzündungen oder ein Mangel an dem Hormon Östrogen.

All diese Mechanismen führen dazu, dass die Harnröhre nicht mehr ausreichend schließen kann. Dann reicht ein kleiner Auslöser (wie beispielsweise ein Niesen), der zu einem Druckanstieg im Bauchraum führt, dass die Betroffenen den Druck nicht halten können und den Urin unwillkürlich verlieren.

Welche Symptome sind typisch für Stressinkontinenz?

Betroffene verlieren den Urin häufig nur tröpfchenweise, zum Beispiel beim Joggen, aber eben auch beim Husten und Niesen. Zudem beschreiben sie, dass die Blase sich nie so ganz leer anfühlt und der Urinstrahl nicht so kräftig ist wie früher. Diese Beschwerden können je nach Schweregrad der Inkontinenz weiter zunehmen.

Wie wird die Schwere der Stressinkontinenz eingeteilt? Was bedeuten die Grade 1 bis 3?

Um den Schweregrad einer Stressinkontinenz zu ermitteln, wird ein klinischer Test durchgeführt. Die Patient*innen trinken ein Glas Wasser, sodass die Harnblase mit ca. 300 ml gefüllt ist. Dann werden sie aufgefordert, kräftig zu husten.

Verliert der/die Patient*in dadurch kein Urin, liegt keine Stressinkontinenz vor (Grad 0).

Wenn dadurch im Stehen tröpfchenweise Urin verloren wird, spricht man von einer Stressinkontinenz Grad I.

Ein strahlartiger Urinverlust im Stehen wird als Stressinkontinenz Grad II eingestuft.

Bei einem strahlartigen Urinverlust, der auch im Liegen auftritt, handelt es sich um eine Stressinkontinenz Grad III.

Welche Behandlungsansätze und Therapiemöglichkeiten gibt es für Stressinkontinenz?

Üblicherweise wird eine Stressinkontinenz zunächst konservativ behandelt, das bedeutet ohne einen operativen Eingriff. Diese Art der Behandlung bringt das geringste Risiko mit sich und wird daher auch von den meisten Patient*innen bevorzugt.

Ein wichtiger Ansatz ist das Beckenbodentraining unter Anleitung eines/r Physiotherapeut*in. Die Beckenbodenmuskeln sollen gestärkt und die Harnröhre stabilisiert werden.

Eine weitere Behandlungsform stellt die Verhaltenstherapie dar. Das mag in diesem Kontext komisch klingen, kann aber durchaus sinnvoll sein. Im Rahmen von Patient*innen-Schulungen gibt es sogenannte Blasentrainings, bei denen Entleerungsintervalle festgelegt werden, in denen die Patient*innen bewusst auf die Toilette gehen sollen. Diese Intervalle werden mit der Zeit verlängert, um die Blasenkapazität zu steigern. Es geht hier vor allem darum, das Selbstvertrauen zu stärken, die Blase kontrollieren zu können.

Die Elektrostimulation wird bei Patient*innen angewendet, die ihre Beckenbodenmuskeln nicht spüren und deshalb nicht anspannen können. Dies geschieht dann stattdessen durch den elektrischen Impuls.

Zur Stabilisierung der Harnröhre kann ein Pessar eingesetzt werden. Das ist ein medizinisches Hilfsmittel, welches bei Frauen vaginal eingeführt wird und auf die Harnröhre drückt.

Wenn eine aktive Behandlung der Harninkontinenz nicht zum Erfolg führt oder aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, sind spezielle Hilfsmittel eine Alternative, um die Beschwerden zu mindern.

Zu diesen Hilfsmitteln gehören Inkontinenzvorlagen, die besonders viel Flüssigkeit aufnehmen können, oder Harnblasenkatheter (dünne Schläuche, die in die Harnblase eingeführt werden und den Urin dauerhaft abfließen lassen).

Medikamente bei der Behandlung von Stressinkontinenz?

Wenn die konservativen Maßnahmen nicht ausreichen, kann im nächsten Schritt zu Medikamenten übergegangen werden.

Ein wichtiges Medikament bei Stressinkontinenz ist Duloxetin. Duloxetin stärkt den Schließmuskel der Harnröhre, indem es die Wirkung von den stimulierenden Botenstoffen Noradrenalin und Serotonin steigert.

Wenn die Stressinkontinenz durch einen Östrogenmangel ausgelöst ist, kann eine systemische Hormonersatztherapie mit Östradiol die Symptome lindern.

Ein Hinweis für eine durch Östrogenmangel verursachte Stressinkontinenz bei Frauen, ist das erstmalige Auftreten der Beschwerden in den Wechseljahren. In dieser Zeit haben besonders viele Frauen einen Mangel an Östrogen. Das kann zum Beispiel auch zu den typischen Hitzewallungen führen.

Gibt es operative Verfahren, um Stressinkontinenz zu behandeln?

Bei Versagen einer konservativen und medikamentösen Therapie kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Hier gibt es verschiedene Arten des Eingriffs.

Heutiger Standard ist die Schlingenoperation, bei der ein schmales Kunststoffband unter der Harnröhre eingesetzt wird, um diese zu stützen. Dieses Band soll spannungsfrei implantiert werden, daher nennt man es TVT (Tension-free Vaginal Tape: „spannungsfreies vaginales Band").

Bei einer ähnlichen Version des Eingriffs wird das Band seitlich durch zwei Öffnungen im Beckenknochen geleitet. Dieses Band wird TOT (Trans-Obturator Tape) genannt.

Es gibt auch eine Methode, bei der die Schlinge um die Harnröhre selbst gelegt wird, um ihr Halt zu geben. Diese Band heißt midurethrale Schlinge.

Eine alternative Möglichkeit ist die Kolposuspension nach Burch. Dabei wird der Blasenhals angehoben und mit Haltenähten an den umliegenden Bändern und Muskeln befestigt. Dadurch ist die Harnröhre stabiler und kann besser schließen.

Was kann man tun, wenn man nachts an Stressinkontinenz leidet?

Gerade die nächtliche Inkontinenz kann für Betroffene sehr belastend sein.

Um den Urinverlust in der Nacht möglichst gering zu halten, wird empfohlen, etwa 2 Stunden vor dem Schlafengehen, nur noch sehr wenig Flüssigkeit zu sich zu nehmen.

Koffeinhaltige Getränke und Alkohol sollten komplett vermieden werden.

Koffein hemmt die Ausschüttung des antidiuretischen Hormons (ADH). Dieser Botenstoff signalisiert unserem Körper normalerweise, Flüssigkeit zurückzuhalten. Nach Koffeinaufnahme produzieren wir daher deutlich mehr Urin.

Da diese Maßnahmen den Urinverlust leider meist nicht komplett verhindern können, bieten sich für das Sicherheitsgefühl Inkontinenzprodukte wie Bettauflagen, Schutzhosen und saugfähige Einlagen an.

Kann Stress oder Depression eine Stressinkontinenz auslösen oder verschlimmern?

Tatsächlich haben Forscher*innen herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen Stressinkontinenz und psychischem Stress sowie Depressionen gibt. Frauen, die an einer Depression leiden, haben statistisch gesehen ein höheres Risiko für Stressinkontinenz als gleichaltrige Frauen ohne Depressionen.

Der genaue Mechanismus ist noch unbekannt. Im Moment wird davon ausgegangen, dass bestimmte, durch eine Depression ausgelöste Veränderungen im Stoffwechsel eine Inkontinenz zur Folge haben könnten.

Zudem berichten Personen mit Depressionen im Durchschnitt von stärkeren Inkontinenzsymptomen als Personen ohne Depressionen. Daher scheint auch der Leidensdruck durch Depressionen zuzunehmen.

Der Zusammenhang zwischen Depressionen und Stressinkontinenz besteht auch umgekehrt! Durch die starke Stigmatisierung führt Inkontinenz leider häufig zu funktionellen und sozialen Einschränkungen, die weitergehend in Angstzuständen oder Depressionen enden können.

Was sollten Betroffene tun, wenn sie nach dem Wasserlassen Urinverlust bemerken?

Die wohl wichtigste Maßnahme: das Schamgefühl beiseite schieben und zum Arzt oder zur Ärztin des Vertrauens gehen!

Nur etwa 10-20% aller Betroffenen von Harninkontinenz suchen sich ärztliche Hilfe; dabei können die Symptome häufig sehr gut behandelt und der Leidensdruck stark vermindert werden.

Sehr sinnvoll ist es, wenn die Symptome schon vor dem Arztbesuch in einem Blasentagebuch dokumentiert werden. Seit wann, wie häufig und in welchen Situationen tritt der unwillkürliche Urinverlust auf? Jede Information hilft den Ärzt*innen später, den Betroffenen bestmöglich zu helfen.

Letzte Änderung: 13. Oktober 2023

Quellen
  • Herold, G. 2016. Innere Medizin
  • Dannecker, C. 2010. Deutsches Ärzteblatt
  • Hader, C. 2003. Thieme Group
  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. 2022. Sk2-Leitlinie Harninkontinenz der Frau
  • Melville, J. 2009. American Journal of Obstetrics and Gynecology.

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