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Harninkontinenz

Geschrieben von Clara Schneider

Was versteht man speziell unter Harninkontinenz im Unterschied zur allgemeinen Inkontinenz?

Beim Begriff Inkontinenz denken die meisten Menschen wahrscheinlich an eine ältere Person mit Blasenschwäche. In Wahrheit steckt aber deutlich mehr dahinter.

Grundsätzlich bedeutet Inkontinenz, keine Kontrolle mehr über seine Urinabgabe (Harninkontinenz) oder seinen Stuhlabgang (Stuhlinkontinenz ) zu haben. Heute beschäftigen wir uns mit der Harninkontinenz.

Die Zahlen zur Häufigkeit des Auftretens in der Bevölkerung sind in unterschiedlichen Quellen verschieden (5-50%), da das Thema leider immer noch viele Vorurteile mit sich bringt.

Welche Hauptformen der Harninkontinenz existieren?

Es gibt fünf Hauptgruppen der Harninkontinenz.

  1. 01
    Stressinkontinenz /Belastungsinkontinenz → Der Urinverlust tritt durch Druckerhöhung im Bauchraum wie Husten oder Niesen auf.
  2. 02
    Dranginkontinenz → Die Betroffenen spüren einen plötzlichen Harndrang und schaffen es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette.
  3. 03
    Mischinkontinenz → Eine Mischform aus Stress- und Dranginkontinenz, die insgesamt am häufigsten auftritt.
  4. 04
    Überlaufinkontinenz → Ein schwacher Blasenmuskel führt dazu, dass der Urin nicht gut abfließen kann. Dadurch entsteht ein hoher Druck, der letztendlich zum Urinverlust führt.
  5. 05
    Neurogene Blasenfunktionsstörung → Bei dieser Form ist die Reizleitung zwischen Gehirn und Blase gestört. Die Betroffenen haben deshalb keine Kontrolle mehr über ihre Blase und verlieren den Urin reflexartig. Daher wird diese Störung auch Reflexinkontinenz genannt.

Wie unterscheiden sich Dranginkontinenz und Stressinkontinenz?

Dranginkontinenz und Stressinkontinenz unterscheiden sich sowohl in den Ursachen als auch in den Symptomen.

Bei einer Dranginkontinenz ist die Harnblase entweder übermäßig aktiv oder überempfindlich. Dies kann durch neurologische Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer ausgelöst werden. Manchmal sind auch Blasensteine oder häufige Blasenentzündungen verantwortlich. Betroffene verspüren einen plötzlichen Harndrang und schaffen es meist nicht, bis zur Toilette einzuhalten.

Bei einer Stressinkontinenz funktioniert die Harnblase normal. Das Problem liegt beim Schließmuskel, der eigentlich die Harnröhre verschlossen hält, bis man sich aktiv dazu entscheidet, Urin abzulassen. Wenn er nicht richtig arbeitet (zum Beispiel aufgrund einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur oder hormonellen Veränderungen), wird bei einem Druckanstieg im Bauchraum die Harnröhre unwillkürlich geöffnet. Das passiert durch Lachen, Niesen, Husten oder sportliche Aktivitäten.

Welche Ursachen können hinter einer Harninkontinenz stehen?

Neben den oben genannten Ursachen, gibt es noch weitere Gründe für eine Harninkontinenz.

Wenn ein mechanisches Hindernis auf die Harnröhre drückt, staut sich der Urin in der Blase. Wenn sie so voll ist, dass der Schließmuskel nicht mehr gegenhalten kann, kommt es zum unkontrollierten Urinverlust. Ein solches Hindernis kann bei Männern eine vergrößerte Prostata, ein Tumor oder bei Frauen eine abgesenkte Gebärmutter sein.

Auch hormonelle Veränderungen können zu einer Inkontinenz führen. Typisch ist ein Mangel des Hormons Östrogen.

Bei Frauen stellen stattgehabte vaginale Geburten eine mögliche Ursache dar. Durch die Dehnung während der Geburt können die Beckenbodenmuskulatur und insbesondere der Schließmuskel geschwächt sein.

Wie können Männer von Harninkontinenz betroffen sein?

Obwohl Frauen häufiger betroffen sind, ist Harninkontinenz auch bei Männern ein ernstzunehmendes Thema.

Die häufigsten Formen bei Männern sind die Stress-, Drang- und Überlaufinkontinenz.

Bei älteren Männern liegt die Hauptursache einer Harninkontinenz in einer vergrößerten Prostata. Daher ist es sehr empfehlenswert, ab dem 50. Lebensjahr regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung in einer urologischen Praxis zu gehen!

Bei jüngeren Männern ist der Auslöser wahrscheinlicher eine Entzündung der Harnwege.

Welche Symptome weisen auf eine Dranginkontinenz hin?

Betroffene einer Dranginkontinenz verspüren sowohl tagsüber als auch nachts häufig einen sehr plötzlichen intensiven Harndrang. Dieser tritt auch auf, wenn der letzte Toilettengang noch nicht lange her und die Blase nur wenig gefüllt ist. Oft wird die Blase als voller empfunden, als sie eigentlich ist. Zudem kann der übermäßige Harndrang auch Schmerzen verursachen.

Welche therapeutischen Maßnahmen existieren für die Dranginkontinenz?

Wenn eine spezifische Ursache als Auslöser für die Dranginkontinenz entdeckt wird, sollte diese natürlich zunächst behandelt werden. So können etwa Blasensteine operativ entfernt oder bakterielle Entzündungen mit Antibiotika bekämpft werden.

Nicht medikamentöse Maßnahmen

Um die Beschwerden zu lindern, können Patient*innen versuchen, ihr Trinkverhalten zu ändern. Koffeinhaltige Getränke wie schwarzer Tee oder Kaffee sollten vermieden werden. Besser sind stilles Wasser und ungesüßte Tees.

Außerdem können gerade nachts saugfähige Schutzhosen verwendet werden, um den Schaden zu begrenzen.

Medikamente

Anticholinergika sind Medikamente, die die Überaktivität der Harnblase hemmen. Die Einnahme der Tabletten sollte ärztlich überwacht sein, da es zu Nebenwirkungen wie beispielsweise Verstopfung kommen kann.

Alternativ kann Botox in den Blasenmuskel gespritzt werden. Botox wirkt lähmend und verhindert die plötzlichen Muskelanspannungen, die zum typischen unerwarteten Harndrang führen.

Welche Faktoren können nach einer Prostata-OP zu Harninkontinenz führen?

Bei einer Prostata-OP besteht ein Risiko, dass der Schließmuskel der Harnröhre verletzt wird und nicht mehr richtig arbeiten kann. Folglich kann eine Stress- oder Belastungsinkontinenz entstehen.

Das Risiko für eine Inkontinenz nach einer Operation, bei der die Prostata entfernt wird, liegt tatsächlich bei etwa 50%. Daher ist es extrem wichtig, nach der Operation regelmäßiges Beckenbodenmuskeltraining zu machen, um den Schließmuskel zu stärken.

Was ist mit dem Begriff "Miktion" gemeint und wie hängt er mit der Harninkontinenz zusammen?

Miktion beschreibt den Vorgang der Harnblasenentleerung, wenn dieser physiologisch (also normal) abläuft. Normalerweise läuft die Miktion kontrolliert und schmerzlos ab.

Harninkontinenz gehört zu den Miktionsstörungen. Das Entleeren der Blase erfolgt unkontrolliert und kann schmerzhaft sein.

Eine weitere Form der Miktionsstörung wäre der Harnverhalt. Das bezeichnet die komplette Unfähigkeit, Urin abzulassen.

Welche Rolle spielt Reflexinkontinenz im Spektrum der Harninkontinenz?

Es gibt keine genauen Zahlen zur Häufigkeit des Auftretens von Reflexinkontinenz. Sie tritt aber seltener auf als etwa die Drang- oder Stressinkontinenz.

Wie man beim Wortlaut vermuten würde, entleert sich die Blase bei einer Reflexinkontinenz reflexartig. Man nennt diesen Typ auch neurogene Blasenentleerungsstörung. "Neurogen" bezieht sich auf die Nerven, die den Blasenmuskel steuern. Sie können aus vielfältigen Gründen geschädigt sein, sodass die Blase entweder schlaff oder zu stark angespannt ist. Beides führt zu ungewolltem Urinverlust.

Diagnostik

Bei einer Reflexinkontinenz bleibt typischerweise nach jedem Wasserlassen Resturin in der Blase. Dieser kann beispielsweise in einer Ultraschalluntersuchung gemessen werden.

Therapie

Meist muss der Urin über einen Blasenkatheter (dünner Schlauch, der über die Harnröhre in die Blase gelegt wird) abgelassen werden. Wenn Urin zu lange in der Blase bleibt, kann das nämlich Blasenentzündungen zur Folge haben.

Gibt es Operationen, die zur Behandlung der Harninkontinenz in Betracht gezogen werden können?

Grundsätzlich sollte jede Form der Inkontinenz zunächst ohne Operation behandelt werden. Erst wenn andere Maßnahmen scheitern, kann man einen Eingriff in Erwägung ziehen.

Eine mögliche operative Therapie für eine Stressinkontinenz ist eine Schlingenoperation, bei der ein schmales Kunststoffband unter der Harnröhre eingesetzt wird, um diese zu stützen. Dieses Band soll spannungsfrei implantiert werden, daher nennt man es TVT (Tension-free Vaginal Tape: "spannungsfreies vaginales Band").

Bei einer ähnlichen Version des Eingriffs wird das Band seitlich durch zwei Öffnungen im Beckenknochen geleitet. Dieses Band wird TOT (Trans-Obturator Tape) genannt.

Es gibt auch eine Methode, bei der die Schlinge um die Harnröhre selbst gelegt wird, um ihr Halt zu geben. Diese Band heißt midurethrale Schlinge.

Eine alternative Möglichkeit ist die Kolposuspension nach Burch. Dabei wird der Blasenhals angehoben und mit Haltenähten an den umliegenden Bändern und Muskeln befestigt. Dadurch ist die Harnröhre stabiler und kann besser schließen.

Letzte Änderung: 13. Oktober 2023

Quellen

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