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Stuhlinkontinenz

Geschrieben von Sonja Schulte

Überblick

Was versteht man präzise unter dem Begriff „Stuhlinkontinenz“?

Stuhlinkontinenz ist kein wissenschaftlich feststehender Begriff, kann aber mit "Stuhlhalteschwäche" übersetzt werden. Generell kann man sagen, dass Stuhl oder Darmgase nicht bis zum nächsten Toilettengang zurückgehalten werden können. Kontinenz beschreibt das willentliche Zurückhalten von Stuhl und Gasen und damit durch Fühlen auch die Unterscheidung zwischen diesen beiden. Wenn diese Kontrolle nicht mehr gegeben ist, spricht man von Inkontinenz. Ungefähr 3% der Bevölkerung leiden an Stuhl- beziehungsweise Analinkontinenz.

Welche unterschiedlichen Arten und Grade von Stuhlinkontinenz können unterschieden werden?

Da die Stuhlinkontinenz an verschiedensten Ursachen liegen kann, gibt es auch verschiedene Arten der Inkontinenz. So kann es zum Beispiel nur zum Abgang von Gasen kommen oder zum Ausscheiden von Gasen und Stuhl. Je nach Art der Inkontinenz gehen verschiedene Mengen an Stuhl bemerkt oder unbemerkt ab. Auch die Konsistenz kann variieren. Grob unterteilt wird die Anal- beziehungsweise Stuhlinkontinenz klinisch in 3 Grade:

  1. 01
    Abgang von Winden
  2. 02
    Abgang von flüssigem Stuhl
  3. 03
    Abgang von festem Stuhl

Zusätzlich dazu kann die Stuhlhalteschwäche noch in weitere drei Formen unterschieden werden: Die passive Inkontinenz beschreibt das Verlieren von Stuhl ohne Bewusstwerden dessen. Die "Urge Inkontinenz", also Drang-Inkontinenz bezeichnet das Verlieren von Stuhl oder Darmgasen, obwohl versucht wird, die Toilette noch rechtzeitig zu erreichen. Die dritte Form ist die "Fecal seepage" - Inkontinenz, was so viel heißt wie "Durchsickern". Dabei verlieren Betroffene nach dem normalen Toilettengang ungewollt Stuhl.

In welchen Situationen tritt die Unfähigkeit, den Stuhl zu halten, typischerweise auf?

Auch das hängt ganz von den Gründen der Stuhlhalteschwäche ab. Wenn die Ursache zum Beispiel eine Durchfallerkrankung ist oder das Problem die Nerven sind, die den Bereich "verschalten", kann es in jeglichen Situationen zum ungewollten Abgehen von Stuhl kommen. Ist die Ursache allerdings muskulärer Natur, kann es vor allem beim Lachen, Niesen oder Husten zum ungewollten Verlieren von Stuhl oder Gasen kommen. Auch sportliche, beziehungsweise anderweitig körperliche Aktivität können der Auslöser sein.

Ursachen

Welche Ursachen liegen häufig dem Phänomen der Stuhlinkontinenz zugrunde?

Die Stuhlhalteschwäche kann verschiedenste Ursachen haben.

  • funktionell: das heißt, der Schließapparat funktioniert aus unterschiedlichen Gründen nicht so wie gewollt. Das kann zum Beispiel aufgrund von zu flüssigem Stuhl der Fall sein oder aufgrund eines sogenannten Rektumprolaps. Das ist ein Hervorstülpen des Rektums durch den After nach außen und kann zum Beispiel durch eine Beckenbodenschwäche nach mehreren natürlichen Geburten, verursacht werden.
  • neurologisch: Nerven mit verschiedenen Funktionen ziehen in den Bereich des Analkanals und sind dafür verantwortlich wahrzunehmen, ob sich Stuhl dort befindet und dieses Signal dann sozusagen in eine Anspannung der Schließmuskulatur umzuwandeln. So wird die Kontinenz erreicht. Wenn diese Nerven zum Beispiel durch die Erkrankungen Diabetes mellitus oder multiple Sklerose "angegriffen" werden, kann eine Stuhlhalteschwäche entstehen.
  • entzündlich: auch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa können Ursachen sein.
  • traumatisch: eine der Hauptursachen für Stuhlinkontinenz sind vorige Operationen im Bereich des Afters, die die Schließmuskulatur beeinflussen können.
  • bösartig: auch Karzinome, das heißt, Krebsgeschwüre können zu einer Stuhlhalteschwäche führen.

Es gibt noch viele weitere Gründe, die zu einer Stuhlhalteschwäche führen können, die allesamt jedoch seltener vorkommen.

Inwiefern kann der Schließmuskel des Darms in die Problematik der Stuhlinkontinenz involviert sein?

Für die Kontinenz sind neben einem Venengeflecht vor allem drei verschiedene Muskeln zuständig: Der innere und äußere Schließmuskel und ein Muskel, der sich wie eine Schlinge um einen Teil des Enddarms legt. Wenn es mit diesen drei Muskeln aus verschiedensten Gründen Probleme gibt, kann es zur Inkontinenz kommen. Das kann zum Beispiel an einer muskulären Schädigung durch Operationen oder Schäden an den Nerven liegen, die den Bereich sozusagen verschalten.

Gibt es bestimmte Risikogruppen, die häufiger von Stuhlinkontinenz betroffen sind, wie zum Beispiel Menschen im Alter oder nach bestimmten Operationen?

In der gesamten Bevölkerung haben etwa 3-7% der Bevölkerung Symptome einer Stuhlhalteschwäche. Wenn man nur Menschen über 50 Jahren betrachtet, liegt diese Zahl schon bei etwa 7-13%. Ältere Menschen sind also häufiger betroffen. Das liegt unter anderem an muskulären Bedingungen und der meist größeren Anzahl an Operationen und Krankheiten, wie zum Beispiel Demenz , die zu Inkontinenz führen können. Bei Menschen mit Demenz ist eine Stuhlinkontinenz der häufigste Grund für eine Aufnahme in ein Altenheim. Dort liegt die Prozentzahl der Betroffenen meist bei fast 50%. Oft treten Stuhlinkontinenzen auch nach Operationen auf. Das können Operationen sein, durch die Tumorgeschwüre oder schwere Hämorrhoiden entfernt wurden, oder Operationen, die angeborene Fehlentwicklungen richtig stellen sollen.

Bei natürlichen Geburten kann es zum Dammriss kommen, wobei auch die Beckenboden- und Schließmuskulatur und der Analkanal beeinflusst sein können. Auch dadurch können sowohl eine Urin- als auch eine Stuhlinkontinenz entstehen. Zu diesen schweren Formen des Dammrisses kommt es in etwa 1-11% der vaginalen Geburten.

Symptome

Wie sind Symptome von Stuhlinkontinenz zu erkennen und zu deuten?

Erste Zeichen der Stuhlhalteschwäche können zum Beispiel ein Nässegefühl im Analbereich oder verschmutzte Unterwäsche sein. Ein noch früheres Zeichen wäre der unwillentliche Abgang von Darmgasen. Wenn die Ursache eine kurzfristige Durchfallerkrankung ist, kann erst einmal abgewartet werden, bis diese wieder vorbei ist. Sollte sie sich jedoch länger ziehen, sollten Hausarzt/-ärztin konsultiert werden. Bei vereinzelten Vorfällen aus anderen Ursachen kann eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten schon eine mögliche Lösung sein. Wenn Sie sich unsicher sind und das Gefühl haben, sie werden in Ihrem Alltag zu sehr durch Ihre Symptome beeinträchtigt, sprechen Sie mit medizinischem Fachpersonal darüber.

Diagnose & Tests

Wie lässt sich eine Schwäche des Afterschließmuskels diagnostizieren und welche Auswirkungen hat dies auf die Stuhlinkontinenz?

Um eine Stuhlinkontinenz zu diagnostizieren führen die Ärzt*innen erst einmal ein ausführliches Gespräch mit den Patient*innen, um die Art der Inkontinenz feststellen zu können. Damit finden sie auch heraus, inwiefern das Leben der Patient*innen dadurch beeinflusst wird und welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Dann folgt die körperliche Untersuchung, wozu auch eine digital-rektale Untersuchung gehört, das heißt das Einführen eines Fingers des/der Untersucher*in in den After des/der Patient*in. Damit kann festgestellt werden, wie gut der Schließmuskel funktioniert. Je nach Ergebnis des Gesprächs und der ersten Untersuchung können nun die ersten Maßnahmen ergriffen werden. Sollte das nicht funktionieren, gibt es weitere diagnostische Wege:

  • Darmspiegelungen, bei der sich der Dickdarm, der Enddarm und der Analkanal angeguckt werden, um zum Beispiel Tumorerkrankungen auszuschließen,
  • die "anorektale Manometrie", bei der die Schließ- und die Dauerkraft der Schließmuskulatur bestimmt wird,
  • neurophysiologische Tests, bei denen die Nerven untersucht werden, die für das Verspüren von Stuhldrang und die Steuerung der Schließmuskulatur verantwortlich sind,
  • eine Defäkographie: Dabei wird mit Hilfe von Röntgenbildern dargestellt, wie bei den Patient*innen der Stuhlgang abläuft, wobei mögliche Gründe für die Inkontinenz festgestellt werden können.

Welcher Facharzt ist für die Diagnostik und Behandlung von Stuhlinkontinenz der richtige Ansprechpartner?

Erst einmal sollten Sie mit Ihrem/r Hausärzt*in sprechen, da diese Ihre medizinische Vorgeschichte kennen und Sie zu einem/r Fachärzt*in überweisen können. Es gibt Fachärzt*innen für die sogenannte Koloproktologie, also Spezialist*innen für End- und Dickdarmerkrankungen. Das können Chirurg*innen sein, es gibt aber auch Ärzt*innen aus der Inneren Medizin, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben und dann zum Beispiel die Darmspiegelungen durchführen.

Behandlung

Welche therapeutischen Ansätze existieren zur Behandlung von Stuhlinkontinenz, und wie wird dabei vorgegangen?

Nach der ersten Untersuchung wird das Wiederherstellen der Kontinenz erst einmal durch eine Ernährungsumstellung zu erreichen versucht. Nahrungsergänzungsmittel, die Ballaststoffe enthalten oder Anti-Durchfall-Medikamente können dabei unterstützend wirken. Auch der Verzicht auf Lebensmittel, die den Stuhl locker oder flüssig werden lassen, (zum Beispiel Kaffee), kann diskutiert werden.

Bevor operative Maßnahmen ergriffen werden - wobei es natürlich auch auf die Schwere der Inkontinenz und die Beeinträchtigung der Lebensqualität ankommt-, können unterschiedliche Methoden ausprobiert werden: Vor allem bei milden Stuhlhalteschwächen können Lebensstilveränderung, Medikamente und Biofeedback-Therapie sehr gut helfen.

Die Biofeedback-Therapie beinhaltet sowohl Schließmuskeltraining als auch das Lernen von Techniken für den Toilettengang, wobei beides auf Computerbildschirmen sichtbar gemacht werden kann, sodass ein tieferes Verständnis und besseres Ansteuern der Schließmuskulatur erreicht werden kann. Eine chirurgische Möglichkeit ist die Stimulation des Nervens, der für die Funktion der Schließmuskulatur zuständig ist. Auch möglich ist das Ersetzen der Schließmuskulatur durch einen künstlichen Ersatz.

Welche Medikamente kommen bei der Behandlung von Stuhlinkontinenz zum Einsatz und wie wirken diese?

Medikamente gegen die Stuhlhalteschwäche können zum Beispiel Anti-Durchfall-Medikamente sein, die die Spannung in der Schließmuskulatur erhöhen können aber vor allem bei durch Durchfall begründeter Inkontinenz von Vorteil sind. Ansonsten helfen vor allem die oben genannten allgemeinen oder chirurgischen Optionen.

Chancen & Risiken

Welche Auswirkungen kann Stuhlinkontinenz auf die Lebensqualität und das psychosoziale Wohlbefinden der Betroffenen haben?

Stuhlinkontinenz kann verheerende Auswirkungen auf die Lebensqualität von Patient*innen haben. Sie ist meist mit Schamgefühlen behaftet, die dann zum Rückzug aus sozialen Situationen und täglichen Aufgaben führen. Viele denken außerdem immer noch, dass es keine wirksamen Behandlungen für ihre Beschwerden gebe, was die Situation aussichtslos erscheinen lässt. Auch die Scham vor den behandelnden Ärzt*innen kann für eine Einschränkung der Lebensqualität sorgen, da so keine geeignete Therapie gefunden werden kann.

Sind Rückfälle nach erfolgreicher Behandlung der Stuhlinkontinenz möglich, und wie können diese verhindert werden?

Rückfälle sind je nach Ursache der Inkontinenz, Befolgen der hilfreichen Maßnahmen, wie z.B. einer Ernährungsumstellung und Behandlungsart möglich. Als klinisch am effektivsten werden momentan die Biofeedback-Therapie und die Nervenstimulation angesehen.

Um Rückfälle zu vermeiden sollten vor allem folgende Punkte beachtet werden:

  • gesunde Ernährung mit vielen Ballaststoffen, sowie ein das Vermeiden von Übergewicht,
  • Vermeiden von Stoffen, die den Stuhl flüssig machen, wie zum Beispiel Kaffee,
  • ausreichendes Trinken von Wasser
  • Einnahme von verschriebenen Medikamenten nach Plan .

Prävention & Nachsorge

Welche Rolle spielt die Ernährung bei der Behandlung und Prävention von Stuhlinkontinenz?

Eine Ernährung, die wenige Ballaststoffe beinhaltet, stellt einen wichtigen Risikofaktor für die Stuhlhalteschwäche dar. Das Risiko eine Stuhlinkontinenz zu bekommen, sinkt deutlich, wenn genug Ballaststoffe gegessen werden. Bei einer schon bestehenden Stuhlinkontinenz werden auch ballaststoffhaltige Nahrungsergänzungsmittel gegeben. Ballaststoffe befinden sich in pflanzlichen Lebensmitteln, wie Obst, Gemüse, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten.

Wie können Patienten ihren Alltag trotz Stuhlinkontinenz bestmöglich gestalten, und welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung?

Betroffene können ihren Alltag durch geplante Toilettengänge trotzdem aktiv gestalten. Durch geplante Pausen kann eventuell verhindert werden, dass tatsächlich Stuhl ungewollt abgeht. Das ist vor allem bei Betroffenen von Bedeutung, bei denen es an der Wahrnehmung vom Stuhlgang in Enddarm und Analkanal liegt. Saugfähige Hilfsmittel in Form von Einlagen oder Windeln können helfen, falls doch etwas passiert. Moderne Hilfsmittel vermindern außerdem die Bildung von unangenehmen Gerüchen. Außerdem gibt es in Apotheken zahlreiche Cremes und Salben, die die Haut um den After vor Überreizung durch Bestandteile des Stuhls schützen können. Für einzelne bestimmte Ursachen von Stuhlhalteschwächen gibt es auch die Option eines Analtampons, vor dessen Verwendung aber unbedingt mit einer/m Ärzt/in gesprochen werden sollte!

Gibt es Möglichkeiten, durch Beckenbodentraining die Kontrolle über den Stuhlgang zu verbessern?

Während Beckenbodentraining gegen Harninkontinenz sehr hilfreich wirken kann, gibt es kaum aussagekräftige Zahlen zur Stuhlinkontinenz. Beckenbodentraining kann allerdings, vor allem im Hinblick auf eine möglicherweise vermeidbare Harninkontinenz , nie schaden.

Zusätzliche Informationen

Welche Rolle spielen psychische Faktoren bei Stuhlinkontinenz und wie können diese adressiert werden?

Auch psychische Faktoren spielen bei der Stuhlinkontinenz eine wichtige Rolle. Vor allem wenn man die Auswirkungen der Inkontinenz auf die Psyche betrachtet, ist zu bemerken, dass Betroffene sich aus Schamgefühlen sozial zurückziehen und somit psychisch enorm unter der Stuhlhalteschwäche leiden.

Auch die Behandlungsmethode des Biofeedbacks zielt auf den psychischen Einfluss ab: Der körpereigene Ablauf des Toilettengangs, sowie das Halten von Stuhl durch Anspannen der Muskulatur werden auf Bildschirmen sichtbar und somit greifbarer und psychisch bewusster gemacht.

Bei dementen Patient*innen kann es im schwersten Stadium der Demenz auch zur Harn-, sowie Stuhlinkontinenz kommen. Dies hängt sowohl mit psychischen als auch mit körperlichen Faktoren zusammen.

Letzte Änderung: 14. Oktober 2023

Quellen
  • 1. Arasteh, K. et al. 2018, Duale Reihe Innere Medizin, 4. Auflage, Thieme Verlag
  • 2. Assmann, S. et al, 2022, Guideline for the diagnosis and treatment of Faecal Incontinence
  • 3. Pasricha, T., 2020, Faecal Incontinence in the Elderly
  • 4. Bartlett, L., 2011, Biofeedback therapy for faecal incontinence
  • 5. Bharucha, A., 2022, Faecal incontinence in adults

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